Dienstag, 27. September 2011

General Anzeiger zu FINNLAND, Premiere am 23.09.2011


        Montage und Demontage im Endenicher Ballsaal

Von Ulrike Strauch
Bonn. Das Mädchen Lena steht in einem Berg aus Federn, hält ein Kissen vor den Bauch und ein Mikrofon in der Hand. Lenas Stimme klingt seltsam verzerrt, während sie ihre Beschwörungsformeln spricht: dass Günther, "der Papa", sein Leben lang nur auf sie gewartet hat, dass sie jetzt ganz lieb zu ihm sein muss und nichts verraten darf, um die Mama nicht traurig zu machen.
Szene aus dem Familiendrama  Finnland . Foto: Thilo Beu
Szene aus dem Familiendrama "Finnland". Foto: Thilo Beu
Aber Lena ist nicht lieb. Sie hat Günther umgebracht, als sie 20 war und damit eine Familie auseinandergerissen, die in Wirklichkeit niemals eine war. Die Geschichte dieser Familie erzählen die vier Autoren Andreas Vonder (Niederlande), Lothar Kittstein (Deutschland), Ivo Briedis (Lettland) und Jens-Martin Eriksen (Dänemark) jetzt in "Finnland", der neuen Produktion des Fringe Ensembles/phoenix5 unter Regie von Frank Heuel.
Und jeder erzählt sie auf andere Art; innovativ im Bühnenbild und im Einsatz von Videoprojektionen. Das Ergebnis ist eine faszinierende Montage und Demontage zugleich; der Albtraum einer Familie, erschreckend real hinter der Fassade gutbürgerlicher Sauberkeit.
Verstörend und manchmal auch von absurder Komik - von Justine Hauer, Bettina Marugg und Laila Nielsen, von Manuel Klein, Harald Redmer, David Fischer, Andreas Meidinger und Severin von Hoensbroech mit sicheren Gespür für den richtigen Moment umgesetzt. Kurzum: eines der Stücke, die man nicht so schnell vergisst.
Währenddessen könnte man auf der Zuschauertribüne eine Stecknadel fallen hören. Während Lena sich quält und ihre Bilder im Kopf ungehindert fortfahren. So will es Eriksen, in dessen Passage sich letztlich alles entlädt. Den Anfang macht Vonders Therapiestunde. Kittstein richtet den Focus auf Rolf, den älteren von Günthers beiden Söhnen; mal neun, mal 55 Jahre alt.
Aus dem Jungen, der nachts auf die seltsamen Geräusche aus Lenas Zimmer horchte, ist ein müder Mechaniker geworden. Die Geschichte eines Missbrauchs aus Sicht des jüngeren Stiefbruders zu erzählen und nur anzudeuten, was folglich jeder für sich allein ergänzen kann, ist ebenso ungewöhnlich wie gut gelungen. Briedis wiederum gibt Günther eine Stimme. Es kann keine Gewinner an diesem Abend geben, außer den Zuschauern.
Weitere Vorstellungen 28., 29. und 30. September, 1.Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten unter (02 28) 79 79 01
Artikel vom 27.09.2011



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