Sonntag, 24. Februar 2013


Theatergastspiele Kempf überzeugen mit einem erfrischenden "Don Karlos"
VON RALF KAPRIES

Minden (pri). Eine erfrischend entrümpelte Fassung von Friedrich Schillers "Don Karlos" erlebte das Mindener Publikum am Samstagabend in seinem Stadttheater.
Strenge und Gefühlskälte kennzeichnen den Hof Philipps II. (v. l.: Maya Forster, Sarah-Jane Janson, Wolfgang Grindemann, Ralf Weikinger, Jörg Reimers und Matthias Horbelt).
Strenge und Gefühlskälte kennzeichnen den Hof Philipps II. (v. l.: Maya Forster, Sarah-Jane Janson, Wolfgang Grindemann, Ralf Weikinger, Jörg Reimers und Matthias Horbelt). | Foto: Ralf Kapries

Christoph Brück inszenierte für die Theatergastspiele Kempf klar und schlüssig, wobei die Sprache Schillers, wenn auch dem heutigen Sprachgebrauch angenähert, in ihrer Wirkung erhalten blieb.

Nicht nur die Ausstattung Claudia Weinharts, die Versatzstücke aus einer Zeit zwischen Renaissance und heute kombinierte, verliehen etwa dem Vater-Sohn-Gespräch zwischen König Philipp und Karlos eine starke Nähe, aber es ist natürlich vor allem die Spielleistung Wolfgang Grindemanns und Manuel Kleins, die dem Konflikt Echtheit verleiht. Das vieltürige Bühnenbild wirkte atmosphärisch unterstützend, konnte doch hinter jeder Tür ein Spitzel, ein Verräter lauern - Sinnbild der allgegenwärtigen Kontrolle an Phillips Hof, die keine Privatsphäre zuließ

Julian Weigend spielte einen spannungsgeladenen Marquis von Posa mit großer persönlicher Ausstrahlung, ein Mann, der seinem Freund Karlos voll herzlichem Verständnis zugetan ist und seine Ideale mit endloser Einsatzbereitschaft unterstützt. Sarah-Jane Janson verkörpert die Königin, die sich trotz widerstrebender Gefühle ganz der Staatsraison unterwirft, mit bewegender menschlicher Dramatik und entschlossener Majestät.

Auch die restlichen Mitglieder des Ensembles lieferten ihr Bestes und trugen so zum Erfolg der beeindruckenden Aufführung bei. Sehr differenziert und nicht ohne hintergründigen Humor spielte Jörg Reimers eindrucksvoll den kurzen Part des Großinquisitors.

Sicherlich war es auch für die Kempfer nicht ganz einfach, das verwickelte Stück mit seiner Dreifachthematik, den sturm- und drängerischen Gefühlsausbrüchen, den seltsam häufigen Briefwechseln, abgefangenen wie missverstandenen, und den zahllosen Intrigen in einer klaren, stringenten Aufführung zusammenzuführen.

Das Stück wurde am 29. August 1787 in Hamburg uraufgeführt, nachdem Friedrich Schiller vier Jahre lang an den fünf Akten gearbeitet hatte.

Der Zuschauer soll es möglichst während der relativ kurzen zweistündigen Spieldauer (Roger Vontobel ließ im Staatsschauspiel Dresden sogar über dreieinhalb Stunden spielen) begreifen. Der damals 27-jährige Dichter verarbeitet nicht nur die Konfliktstoffe der spanischen Inquisition, Freiheitskampf der Spanischen Niederlande und die Liebe des Thronfolgers zu seiner Stiefmutter, sondern auch das Drama Philips, in seiner Allmacht allein zu sein, das Drama Posas, "nicht Fürstendiener" sein zu können, zu einer tragisch endenden, schwer verdaulichen Melange. Brück schafft hier gnadenlos Klarheit.

Resultat: Spannung bis zum Schluss. Das Publikum im dünn besetzten Parkett und auf den Rängen folgte der Inszenierung mit Spannung und honorierte die harte Arbeitsleistung des Ensembles mit gewohnt üppigem Applaus.

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